Mittendrin am Rand

Warum beschäftigt sich eine Jugendhilfeeinrichtung mit der besonderen Problematik von HIV-infizierten Kindern und Jugendlichen?

Kängo, ein freier Träger der Jugendhilfe in Hannover, wurde im Mai 2008 gegründet. Kinder mit ganz unterschiedlichen Biographien werden in Erziehungsstellen und Familienwohngruppen betreut. Die Gründe für die Herausnahme der Kinder aus den Herkunftsfamilien sind vielfältig, haben aber in der Regel eine Traumatisierung oder eine andere Formen massiver psychischer Belastungen zur Folge.

Neben der psychosozialen Belastung der Kinder, besteht bei zwei Kindern zusätzlich eine HIV-Infektion. Aus dieser von der Gesellschaft weitgehend tabuisierten Erkrankung resultieren für die Betroffenen und deren Familien erhebliche Belastungen. An der Immunschwäche erkrankte Kinder haben eine nach wie vor tödlich verlaufende Erkrankung zu bewältigen. Häufig gehört die Einnahme von Medikamenten, mit zum Teil erheblichen Nebenwirkungen, zu ihrem Alltag. Die Auseinandersetzung mit dem Sterben, mit eigenen realistischen Perspektiven, gehört spätestens in der Pubertät zu den Themen, die Kinder und Jugendlichen intensiv beschäftigen.

Ein offenes Klima in den Familien, kann die Bewältigung dieser Thematik unterstützen. Die Angst vor Reaktionen von Menschen im weiteren sozialen Umfeld haben jedoch eine weitgehende Tabuisierung der HIV-Infektion und damit einen sozialen Rückzug zur Folge. Erste vorsichtige Versuche, die Immunschwäche im für Kinder üblichen Kontext zu thematisieren, stellen sich häufig als problematisch dar. Die Unwissenheit und die Angst vor einer Ansteckung sind weit verbreitet. Die Erfahrung ist, umso unmittelbarer der Kontakt, umso größer eine angstbesetzte Einschätzung der realistischen Risiken.

Kindergarten und Schule

Betreuer in Kindergärten und Lehrer in Schulen empfehlen den betroffenen Familien die Krankheit unerwähnt zu lassen. Zu groß ist die Sorge, andere Eltern könnten ihre Kinder aus der Betreuung nehmen oder die „Entfernung“ der HIV-positiven Kinder von der Schule verlangen.

Die Reaktionen der anderen lassen sich häufig kaum vorhersehen. Aus Angst vor Ausgrenzung und Repressionen schweigen viele Familien. Sie leben mit einem Tabu, das eine extreme Belastung darstellt. Zahlreiche Lügen prägen den Alltag der Familien. Warum muss ein Kind regelmäßig Medikamente einnehmen, warum in regelmäßigen Abständen eine Klinik aufsuchen? Kinder und Jugendliche mit einer Immunschwäche leben „Mittendrin am Rand“. Sie haben die gleichen Interessen und Wünsche, wie gesunde Kinder und Jugendliche. Sie möchten ihr Leben gestalten, sie möchten ohne die Angst vor Ausgrenzung leben. Sie möchten dazu gehören.

Ziele

Das Ziel der Initiative „Mittendrin am Rand“ ist es, auf die Situation der von der Immunschwäche Betroffenen aufmerksam zu machen. Und möglichst viele Menschen in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen für dieses Thema zu sensibilisieren. Wir möchten über Risiken und Nichtrisiken zu informieren, um damit eine Enttabuisierung der HIV-Infektion zu ermöglichen. Für die bei Kängo betreuten Kinder sowie für alle betroffenen Kinder und Jugendlichen wünschen wir uns, dass unser Projekt dazu beiträgt, eine größere gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen.